Der beste Fahrradreifen und Laufrad-Umfang für lange Touren
Kommt man mit schmalen, glatteren Reifen und 28-Zoll-Laufrad auf Radtouren weiter als mit dicken Profilreifen und kleinerem Laufrad? JA!
Interview mit Marita Müller, Inhaberin des Ladens Fahrrad Müller in Eberswalde:
Beste-Radtouren-Beatrice: Wieso ist ein Mountainbike, ein Crossrad, ein Minirad/Klapprad oder ein Fatbike gar nicht so günstig, wenn ich ohne E-Antrieb wirklich weit radeln will? z.B. 80 bis über 100 km auf asphaltierter Strecke…
Marita Müller: Bikes mit einem kleinen Laufrad-Umfang sind für lange Strecken ungünstig, weil man pro Umdrehung fast genauso viel Kraft braucht wie mit einem großen, und natürlich legt man mit dem großen deutlich mehr an Länge zurück; logischerweise gilt dies auch für Mountainbikes mit dem klassischen Radumfang von 26 Zoll, sprich, damit kommt man mit dem selben Kraftaufwand nicht so weit wie mit einem Touren- oder Trekkingrad – allgemein gesprochen, denn es ist auch eine Frage der Übersetzung.
Nun gibt es zwar auch schon viele Mountainbikes mit 27,5 bzw. 29 Zoll Laufrad-Umfang; allerdings sind diese im Durchschnitt schwerer als z.B. 26-Zoll-Mtb-Laufräder oder 28-Zoll-Trekking-Laufräder – und beim Kraftaufwand zählt auch das Gewicht des Reifens mit. Was hier aber viel entscheidender ist: Reifenbreite und Profilierung. Je breiter der Reifen und je mehr Profil, desto mehr Reibung und Widerstand. Das macht sich auch bei Crossbikes bemerkbar, die zwar einen ähnlichen Aufbau haben wie Trekkingräder, aber eben breitere Reifen mit Stollen.
Rennräder sind nicht von ungefähr mit schmalen, glatten Reifen ausgestattet – die erzeugen logischerweise viel weniger Widerstand auf der Straße und daher mehr Geschwindigkeit als die dicken Stollenreifen eines Mountainbikes oder gar die superbreiten Reifen von Fatbikes.
Ich plädiere jetzt aber nicht dafür, ein Rennrad für Radtouren zu benutzen, denn erstens sind für ausgedehnte Ausflüge eine aufrechtere Sitzposition und ein Gepäckträger günstiger, zweitens haben die schmalen, sensiblen Reifen des Rennrades den Nachteil, dass sie auf ungeteerten Wegen nicht gut funktionieren oder sogar kaputt gehen können – deswegen gibt es ja jetzt so viele Gravelbikes, um sowohl auf der Straße flott zu sein als auch Schotterwege zu managen.
Beatrice: Sprich, jeder Radtypus hat seinen bestimmten Einsatzzweck…
Marita Müller: Genau. Zum Beispiel ist das Faltrad (oder auch Minirad/ Klapprad) nicht dafür entwickelt, sehr weit zu radeln, sondern es ist klein, kompakt und leicht, damit ich es gut tragen und fast überall unterbringen kann, etwa im ÖPNV oder im Kofferraum – in der Regel legt man damit nur kurze Strecken zurück. Fatbikes sind gar nicht für Touren geeignet, sondern wurden für den Strand entwickelt ((sie grinst verschmitzt)). Das Mountainbike wiederum soll möglichst Schläge wegstecken und stabil sein, weil ich damit im Gelände unterwegs bin.
Auf asphaltierter Straße sind spezielle Touren- oder Trekkingsbikes die beste Wahl: Von Sitzposition über Laufruhe und Haltbarkeit bis zur Übersetzung bringen sie das beste Gesamtpaket mit. Wer es etwas sportlicher will, kann auch zum moderaten Gravel-Tourer greifen.
Beatrice: Aber wenn ein größeres Laufrad besser vorwärts kommt: Wieso haben dann Trekking- und Rennräder in der Regel 28 Zoll und nicht mehr?
Marita Müller: Das scheint sich als die beste Größe herausgestellt zu haben – ich denke, weil ein Laufrad ab 29 Zoll mehr Gewicht mitbringt und weniger wendig ist. Wendigkeit ist auch ein Kriterium für sicheres Radeln, man fährt ja nicht immer nur gradeaus.
Beatrice: Ich kann also, wenn ich etwa ein 28-Zoll-Crossbike mit Stollenreifen habe, diese gegen glattere, vielleicht auch schmalere Reifen austauschen, damit ich damit längere Radtouren schaffe?
Marita Müller: Ja, durchaus! Allerdings wenn man kein so guter Kenner der Materie ist, sollte man sich definitiv vom Radhändler beraten lassen, was machbar ist und was nicht – die Felge muss ja passen. Man kann zum Teil auch das ganze Laufrad austauschen, z.B. bei bestimmten Mountainbikes, aber dafür muss sich der Profi den Rahmen usw. anschauen, ob die Geometrie noch passt und ob es sich überhaupt lohnt.
Übrigens sind 1,5 bis 1,6 Zoll die ideale Breite für einen Tourenreifen. ((Anmerkung: 1,5 Zoll = 3,81 cm, 1,6 Zoll = 4,06 cm))
B.: Worauf sollte jemand, der sehr viel radelt, beim Touren- oder Trekkingbike in Punkto Reifen und Laufrad schauen?
M.M.: Das Laufrad muss ein ausgewogener Kompromiss aus Stabilität, Haltbarkeit und Gewicht sein. Die meisten höherwertigen Trekking-Bikes haben Laufrad-Sätze, die diesen Kriterien entsprechen.
Die gleichen Kriterien – in Stabilität, Haltbarkeit und Gewicht – gelten auch für den Reifen selber. Er sollte leicht laufen, weitestgehend pannensicher und für eine hohe Laufleistung gemacht sein.
Ferner kommt es auf die individuellen Vorlieben des Fahrers an. Möchte man mehr Pannenschutz und schleppt dafür ein paar Gramm mehr mit? Oder möchte man lieber sehr leicht unterwegs sein und ist bezüglich einer Panne entspannter?
Zudem ist das Terrain, auf dem man vornehmlich unterwegs ist, entscheidend. Fährt man fast nur auf Asphalt, wählt man einen ziemlich glatten Reifen. Ist man dagegen mehr auf Wald-, Wiesen- und Schotterwegen unterwegs, ist mehr Profil die richtige Wahl. Und wie immer gibt es auch was dazwischen. Die Reifenhersteller bieten für jeden erdenklichen Einsatzbereich das Passende.
B: Ist es wichtig, auf den Reifendruck zu achten?
MM: Ja, absolut. Der Reifendruck ist sehr für Fahrkomfort und Sicherheit verantwortlich. Oft kommen Kunden zu uns in den Laden und vermuten einen Defekt an ihrem Rad: Ist die Nabe schwergängig? Sind die Lager der Pedale verschlissen? Häufig ist es aber einfach nur der fehlende Luftdruck. Einmal aufgepumpt, eröffnet sich ein neues Fahrerlebnis ((sie lacht)).
Ebenso ist es wichtig, den Reifendruck der Hersteller genau zu beachten. Zu wenig Luftdruck kann wegen einem schwammigen Fahrgefühl – insbesondere in der Kurve – zu Unfällen führen, ebenso zu viel Reifendruck wegen zu wenig Grip und unverhofften Schlägen bei Unebenheiten – gerade bei etwas höheren Geschwindigkeiten bergab.
Zudem verschleißt der Reifen schneller, sowohl bei zu wenig Druck als auch bei zu viel.
Der optimale Reifendruck hängt ab vom Radtypus, vom Reifentypus und vom Fahrer-Gewicht; je mehr Gewicht man hat, desto mehr Reifendruck braucht man. Es gibt dafür gute Tabellen im Internet – am besten als erstes beim Hersteller des Reifens nachsehen, den man hat.
B: Sind Qualitäts-Markenreifen besser als Billig-Reifen?
MM: In der Regel würde ich zum Markenreifen raten; deren Hersteller verwenden ausgereifte und hochwertigere Materialien; das bringt mehr Sicherheit und längere Freude. Es gibt aber teilweise auch gute günstigere Reifen. Da sollte man sich beim Fahrradhändler seines Vertrauens beraten lassen.
Welche Rolle spielen das Alter und der Abnutzungsgrad eines Reifens?
MM: Gummi ist ein Naturprodukt, dementsprechend altert es. Oft sehen die Reifen vom Profil noch prima aus und sind doch ein Sicherheitsrisiko. Allerspätestens wenn sich erste kleine Risse an der Seitenflanke bilden, sollten sie ausgetauscht werden. Tipp: Die Luft rauslassen und von oben mit dem Daumen den Reifen auf die Felge drücken. So kann man die Risse in der Flanke besser sichtbar machen.
Viele Reifen haben eine Markierung zum Anzeigen der Abnutzung, und zwar eine winzige Vertiefung direkt oben in der Lauffläche ((siehe Foto unten)). Wenn man die nicht mehr sieht, sollte man den Mantel wechseln und ggf auch den Schlauch. Und natürlich ebenso, wenn das Profil kaum noch vorhanden ist. Wir sehen immer wieder Reifen bei uns, die bis auf die Textilschicht unter dem Gummi abgefahren sind. Das ist definitiv zu spät, die Panne ist prädestiniert oder bereits passiert.
Wenn man lange Touren weit draußen macht, was sollte man am Laufrad und am Reifen außerdem beachten?
MM: Vielleicht einen Reifen mit erweitertem Pannenschutz wählen… Die bringen zwar etwas mehr Gewicht auf die Waage, aber man hat mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit Ruhe vor Pannen. Kaum etwas ist nerviger als ein Plattfuss in der Pampa, womöglich dann noch bei Regen.
Vor einer langen Tour sollte man zudem die Speichen auf ihren Sitz prüfen: Mit dem Schraubenzieher die Speichen abklappern. Hören sich welche dumpf an, dann lieber zum Radhändler um die Ecke gehen und sie nachziehen lassen. Nicht selbst versuchen, dann kann sich die Felge verziehen!!
Sollte ich immer einen Ersatzschlauch und Flickzeug dabei haben oder reicht Pannenspray?
MM: Ich bin definitiv eine Freundin von Ersatzschlauch und Flickzeug, aber da denke ich auch an meine Arbeit. Denn als Radladen müssen wir nach der Verwendung von Pannenspray die ganze Sauerei wieder entfernen ((lacht)). Bei schlauchlosen Reifen gibt es auf Tour keine Alternative zu Pannenspray, aber bei einem Schlauchreifen würde ich immer die anderen beiden Möglichkeiten wählen.
P.S. Fahrrad MÜLLER findet man hier: Karl-Marx-Platz 1A, 16225 Eberswalde
und natürlich über die Webseite: https://www.fahrrad-mueller-eberswalde.de
© Beatrice Poschenrieder